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Einleitung
Die letzten Berichte über die Reaktionen aus dem Weißen Haus zum Ukraine Krieg zeigen überdeutlich, die Position der Trump-Administration scheint sich fundamental von bisherigen Standpunkten der Vorgängerregierung zu unterscheiden. Die im Februar stattgefundenen Gespräche zwischen den USA und Russland in Katar und Istanbul zielten auf Lösungsoptionen zum Ukraine-Krieg und umfassten erstmals eine öffentliche Entspannungspolitik zwischen Moskau und Washington. Ferner wurden die bestehenden Wirtschaftssanktionen thematisiert.
Dem gegenüber steht eine Europäische Union, die, zuletzt mit dem 16. Sanktionspaket, ihren bisherigen Kurs grundsätzlich fortsetzt. Länder wie Polen, Tschechien, Frankreich und Deutschland begrüßen zwar grundsätzlich den Ansatz, den Konflikt zu deeskalieren und diplomatische Lösungen zu finden, befürchten jedoch auch, dass die Sicherheitsinteressen der EU nicht unwesentlich gefährdet werden.
Es mehren sich kritische Stimmen, dass ein Auseinanderdriften der diplomatischen und wirtschaftlichen Bestrebungen zwischen den USA und der EU weiter fortschreitet. Das kann unter dem Blickwinkel der Wirtschaftssanktionen zu herausfordernden Konstellationen führen.
Die Abhandlung befasst sich vor diesem Hintergrund mit der Frage, welche Implikationen sich aus einer solchen Entwicklung ergeben und welche Anforderungen für eine Compliance-Einheit potentiell entstehen können.
Lockerung der Sanktionen – Welche Bereiche wären betroffen?
Zunächst steht die Frage im Raum, welche Sektoren im Falle eines Aufweichens oder Aussetzens von US-Sanktionen am wahrscheinlichsten betroffen sind. Legt man das strategische und wirtschaftliche Interesse der USA zu Grunde, finden sich u.a. nachfolgende Anknüpfungspunkte:
- Energiesektor: Durch einen Zugang zum russischen Energiesektor (insb. Gas und Öl) könnte die heimische Energieversorgung diversifiziert werden und die Energiepreise gesenkt werden. Die Senkung der Inflation ist ein erklärtes Ziel der Trump-Administration.
- Rohstoffsektor: Schaffung von Handelsvereinbarungen zu seltenen Erden und anderen Rohstoffen, um eine größere Unabhängigkeit gegenüber China zu erzielen und die heimische Tech-Industrie mit ausreichenden Rohstoffen zu versorgen.
- Luftfahrtsektor: Lockerung der Strafmaßnahmen gegenüber dem russischen Luftfahrsektor, um der heimischen Luftfahrbranche lukrative Aufträge zu ermöglichen (Flugzeuge, Ersatzteile, Wartung / Dienstleistungen).
- Technologiesektor: Wiederaufnahme von Technologieexporten.
- Übergreifend: Rückkehr US-amerikanischer Unternehmen auf den russischen Markt, nachdem diese Russland, u.a. aus Protest gegen den Ukraine-Feldzug, verlassen haben. Hierzu zählten u.a. McDonald’s, Starbucks und ExxonMobil.
Auf russischer Seite dürften Erleichterungen für folgende Sektoren von Interesse und damit Gegenstand von Verhandlungen sein:
- Energiesektor: Erleichterungen für die Produktions- und Lieferketten der unter den Sanktionen leidenden Energiewirtschaft. Zugang zum US-Energiemarkt. Ausbau und Wiederaufnahme von Explorationsvorhaben.
- Banken: Ziel dürfte es sein, wieder einen Zugang zum internationalen Finanzsystem zu erhalten. Auch eine Aufnahme in den SWIFT-Zahlungsverkehr, vermutlich unter Ausübung von Druck auf die EU, für die zuvor abgeklemmten Finanzinstitute dürfte thematisiert werden.
- Finanzsektor: Rückkehr zum internationalen Kapitalmarkt, um u.a. Anleihen zu begeben.
- Technologie- und Rüstungssektor: Lockerung der Exportbeschränkungen.
Folgen für europäische Unternehmen
Wenngleich vorgenannte Aufzählung nicht vollständig und aktuell lediglich spekulativer Natur sein kann, lassen sich mögliche übergreifende Auswirkungen ableiten.
Europäische Unternehmen wären gegenüber US-Unternehmen benachteiligt, da diese von gelockerten Sanktionen profitieren, während europäische Unternehmen weiterhin strengen EU-Sanktionen unterliegen. US-Unternehmen könnten zumindest theoretisch Gefahr laufen, von der EU sanktioniert zu werden, wenn sie kritische Geschäfte mit russischen Unternehmen tätigen, die von der EU sanktioniert sind, aber nicht (mehr) von den USA. Hieraus könnten wiederum Gegenmaßnahmen auf US-Seite erfolgen.
Für den Finanzdienstleistungssektor der EU ergeben sich rechtliche Unsicherheiten. Angesichts einer gegenläufigen Sanktionsentwicklungen kann sich der Grad der rechtlichen Unsicherheit erhöhen, was zu einem höheren Analyse-, Beratungs- und Begleitungsaufwand innerhalb der Compliance führen kann. Im Falle gleichbleibender Einschränkungen seitens der EU, müsste zulässiges US-Geschäfte ggf. ohne Einbindung von EU-Partnern (Finanzierung, Finanzhilfe, ggf. Beratung, Transaktion) erfolgen. Vorgänge, die einen möglichen US/Russlandbezug aufweisen, wären einer gründlichen Risikoanalyse zu unterziehen, um alle relevanten Vorgaben einzuhalten. Dies kann die Einrichtung eines spezialisierten Teams zur Überwachung und Umsetzung entsprechender (volatiler) Maßnahmen erforderlich machen. Um mit vorgenannten Entwicklungen Schritt zu halten, kann eine Optimierung der bestehenden Screening- und Überwachungstools zur Analyse von Geschäfts- und Transaktionsverbindungen helfen, potenzielle Verstöße gegen Sanktionen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern. In Zweifelsfällen kann eine Zusammenarbeit mit spezialisierten Anwaltskanzleien aufgenommen oder ausgebaut werden, um sich über die jeweils relevanten US- und EU-rechtlichen Bestimmungen zu informieren. Zudem ist ein offener Austausch mit anderen Finanzdienstleistungsunternehmen und ggf. Aufsichtsstellen hilfreich, um im Falle von Auslegungsfragen eine belastbare Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Ferner sollte es auch insbesondere im vorliegenden Thema ein Kernanliegen der Compliance sein, Mitarbeiter frühzeitig und umfassend zu sensibilisieren und über die neuesten Entwicklungen in Bezug auf Sanktionen zu informieren.
Fazit
In der aktuellen Situation ist es ratsam, sich auf eine heterogene Sanktionslandschaft vorzubereiten, Ressourcen für die Erfassung, Bewertung und Steuerung eines Gaps zwischen EU und US-Sanktionen vorzuhalten und sich einen Zugriff auf externe anwaltliche Beratung zu ermöglichen. Es erscheint unwahrscheinlich, dass der nunmehr drei Jahre andauernde Konflikt zwischen Russland und der Ukraine kurzfristig und im Konsens der wesentlichen „Stakeholder“ gelöst werden kann. Deshalb dürfte das angespannte und volatile Umfeld, innerhalb dessen die Compliance ihrer 2nd line of Defense Aufgabe nachkommt, weiterhin Bestand haben und sich durch das geschilderte Szenario sogar verschärfen.
Der Beitrag erschien zuerst bei compliance-circle.com.