Einleitung
Mit der Umsetzung des 12. Sanktionspakets am 18.12.2024 haben umfassende Meldepflichten für definierte Geldtransfers über EU VO 833/2014 (konsolidiert), Artikel 5r, Einzug gehalten. Die Verpflichtung richtet sich zum einen an in der Union niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, welche unter russischem Einfluss stehen, als auch an Kredit- und Finanzinstitute, die für diese Geschäftspartner entsprechende Transaktionen durchführen.
Die Meldeverpflichtung ist ein weiteres Instrumentarium der EU-Kommission, um Zahlungsvorgänge, Unternehmen und Geschäftszweige zu ermitteln, welche im Zusammenhang mit Sanktionsumgehungen stehen und hierüber als Einnahmequelle Russlands dienen könnten.
Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf die Anforderungen betreffend Kredit- und Finanzinstitute und beleuchten Anforderungen sowie schwerpunktmäßig mögliche Umsetzungsschritte und auch Herausforderungen, die mit diesen Maßnahmen einhergehen. Es folgt ein abschließendes Fazit.
Anforderung
Nach Artikel 2 der vorgenannten Norm haben Kredit- und Finanzinstitute der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie angesiedelt sind, ab dem 1. Juli 2024 innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf jedes Semesters Informationen über alle Geldtransfers aus der Union heraus mit einem Gesamtbetrag von über 100.000 EUR für das jeweilige Semester, die sie für juristischen Personen, Organisationen und Einrichtungen direkt oder indirekt eingeleitet haben, zu melden. Sofern diese zu mehr als 40% im Eigentum
a) einer in Russland niedergelassene juristische Person, Organisation oder Einrichtung,
b) einer natürlichen Person mit russischer Staatsangehörigkeit oder
c) einer natürlichen Person mit Wohnsitz in Russland,
stehen.
In Deutschland gilt die Bundesbank als zuständige Behörde. Die Meldung hat anhand der von der Europäischen Kommission veröffentlichten Vorlage[1] zu erfolgen.
Am 12. April 2024 wurden Frequently Asked Questions der EU-Kommission[2] veröffentlicht, welche auf 16 Fragestellungen eingehen. Hierüber finden sich u.a. Ausführungen zum Hintergrund der Verpflichtung, welche Finanzmittel von der Norm umfasst sind und wie fehlende Daten zu erheben sind.
Hierüber wird auch dargelegt, dass Kredit- und Finanzinstitute, die als Finanzintermediär agieren, auch diejenigen Transaktionen zu berücksichtigen haben, die sie durchleiten.
Zu berücksichtigen ist, dass sich die Meldeverpflichtung ausschließlich auf diejenigen Einheiten einer betroffenen Institutsgruppe bezieht, die die Transaktionen buchungstechnisch ausführen.
Umsetzungsschritte
Anhand eines vierstufigen Ansatzes kann die Anwendbarkeit der Meldeverpflichtung auf das eigene Geschäftsfeld ermittelt und Voraussetzungen zur Meldung relevanter Transaktionen bestimmt werden:
1) Festlegung des Auslegungsverständnisses
Ausgehend von Artikel 5r lässt sich die Melderelevanz wie folgt festmachen:
„Eine Transaktion oder mehrere Transaktionen wird bzw. werden als melderelevant angesehen, wenn ein in der EU ansässiger Geschäftspartner, welcher unter russischem Einfluss steht, das Kredit- und Finanzinstitut beauftragt, einen Geldtransfer an einen Dritten außerhalb der EU vorzunehmen und die kumulierte Transaktionshöhe(n) des Gschäftspartners innerhalb eines Semesters 100.000 EUR übersteigt“
Auf Basis dieses Auslegungsverständnisses lassen sich in einem nächsten Schritt relevante Organisationseinheiten identifizieren und dahinterstehende Geschäftsbereiche, Produkte und Transaktionen erheben.
2) Ist-Erhebung
Die Aufbauorganisation von Kredit- und Finanzinstituten lässt sich in geschäftsabschließende und nicht geschäftsabschließende Stellen unterteilen.
Es stellt sich die Frage, ob Transaktionen, die von nicht geschäftsabschließenden Stellen initiiert werden, z.B. die Beauftragung von externen Kanzleien über die Rechtsabteilung oder Beschaffungen des Einkaufs, unter den Anwendungsbereich der Norm fallen.
Festzuhalten ist, dass für diese Transaktionen im Regelfall eigene Mittel des Kredit- oder Finanzinstituts herangezogen werden und hierüber lediglich eigene Zahlungsverpflichtungen beglichen werden. Mithin können diese Transaktionen als nicht melderelevant eingestuft werden.
Bei den geschäftsabschließenden Stellen hingegen, können Vermögenswerte, die einem Kunden des Kredit- oder Finanzinstituten zugerechnet werden, transferiert werden. Sofern eine oder mehrere entsprechende Transaktionen die unter 1) festgelegten Kriterien einer Melderelevanz gesamthaft erfüllt bzw. erfüllen, fällt bzw. fallen diese in den Anwendungsbereich der Norm.
Unter diesem Blickwinkel sind potenziell relevante Organisationsbereiche, Geschäftsfelder, Produkte und Geschäftsspezifika zu erheben.
3) Analysephase
Ausgehend von den unter Schritt 2) erhobenen Informationen, ist zunächst für die Organisationsbereiche und Geschäftsfelder zu analysieren, ob diese aufgrund ihrer inhaltlichen Ausrichtung, insbesondere mit Blick auf Kundengruppen und geographischen Bezügen, eine potenzielle Melderelevanz erkennen lassen.
Ist eine solche Abgrenzung jedoch nicht möglich, ist die Analyse über die Produktebene und ggf. über die Transaktionsebene zu vertiefen.
Eine Melderelevanz ist nur dann anzunehmen, wenn sämtliche Kriterien von Artikel 5r gegeben sind. Nachfolgend finden sich Beispiele, wann eine Melderelevanz ausgeschlossen werden kann:
- Geschäftsfeld: Das Geschäftsfeld richtet sich ausschließlich an inländische Kommunen. Diese können nicht unter russischem Einfluss im Sinne der Norm stehen.
- Produktebene: Es handelt sich um Treasury-Geschäft zur Beschaffung von Liquidität zwecks Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs.
- Transaktionshöhe: Das maximale Transaktionsvolumen pro Kunden kann die melderelevante Schwelle innerhalb des Betrachtungszeitraums nicht übersteigen.
4) Ableitung eines Meldeprozesse
Es gilt einen belastbaren Reporting-Prozess in Abstimmung mit den zulieferenden Einheiten zu etablieren. Hierzu ist zunächst das Transaktionsmanagement über die Meldeverpflichtung, die in Schritt 3) als relevant eingestuften Geschäftsfelder und Produkte, sowie die Meldeanforderung (Template) zu informieren.
Manuelle Bearbeitungsschritte, wie z.B. das Überführen von Auswertungen in das für die Meldung heranzuziehende Template oder eine kalkulatorische Zusammenführung von Transaktionen, sofern die Einzeltransaktionen eines relevanten Kunden 100.000 EUR im Betrachtungszeitraum übersteigen, sind abzustimmen.
Sofern erforderlich, sind ergänzende Informationen der geschäftsabschließenden Stellen, zum Beispiel eine Verknüpfung der Geschäftspartnerdaten mit den geschäfts- und produktbezogenen Daten, einzubeziehen. Informationen betreffend einen möglichen russischen Einfluss sind über die für den Kundenannahmeprozess (KYC) zuständige Stelle zu verknüpfen.
Sollte sich im Rahmen der Auswertungen herausstellen, dass eine abschließende Abgrenzung von potenziell melderelevanten Transaktionen dem Kredit- oder Finanzinstitut nicht möglich ist, ist in Betracht zu ziehen, die Bundesbank vorab über diesen Umstand zu informieren und einen individuellen Meldeprozess abzustimmen oder den Umfang der zu meldenden Transaktionen so zu wählen, dass alle potenziell melderelevanten Transaktionen enthalten sind. Im letzteren Fall sollte auf diesen Umstand in der Meldung hingewiesen werden und idealerweise aufgezeigt werden, wir die Datenqualität zukünftig verbessert werden soll.
Umsetzungsherausforderungen
Angesichts eines nicht unerheblichen Umsetzungsaufwands kann die Meldeverpflichtung, insbesondere für große Universalinstitute in zeitlicher Hinsicht als sehr ambitioniert angesehen werden.
Zudem kann die Norm, aufgrund von potenziell nicht geklärten Auslegungsfragen, zu Unsicherheiten in der Umsetzung führen. Die Bereitstellung des FAQ-Dokuments über die EU im April 2024 kann seitens der Verpflichteten als zu spät und nicht abschließend wahrgenommen werden.
Die vorgegebene Relevanzschwelle hinsichtlich eines russischen Einflusses in Höhe von 40% orientiert sich nicht an bestehenden KYC- und Sanktionsstandards, welche bei den Adressaten der Norm bereits bestehen:
a) KYC-Standard: §11 Abs. 5 GwG regelt hinsichtlich der Abklärung eines wirtschaftlich Berechtigten, dass „Vor- und Nachnamen und, soweit dies in Ansehung des im Einzelfall bestehenden Risikos der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung angemessen ist, weitere Identifizierungsmerkmale zu erheben [sind].“ Ferner „[dürfen] Geburtsdatum, Geburtsort und Anschrift des wirtschaftlich Berechtigten […] unabhängig vom festgestellten Risiko erhoben werden.“. Eine Abklärung der Staatsangehörigkeit und der Anschrift ist unter geldwäscherechtlichen Aspekten mithin nicht zwingend erforderlich.
b) Eine Eigentümerstellung wird nach den Sanctions Guidelines der EU zudem dann angenommen, wenn eine sanktionierte Person über 50% der Anteile einer Gesellschaft hält. Ein Kontrollverhältnis kann hingegen an verschiedene Kriterien, wie zum Beispiel der Möglichkeit, Schlüsselpositionen zu besetzen oder über Vermögenswerte zu verfügen, festgemacht werden.[3]
Fazit
Die thematisierte Meldeverpflichtung kam, angesichts der Bemühungen der EU, verstärkt gegen Sanktionsumgehungen vorzugehen, nicht überraschend. Allerdings lässt die Norm Auslegungs- und Anwendungsfragen zu und weicht von bereits etablierten Standards ab, sodass eine angemessene Umsetzung erschwert wird.
Hinzu kommt eine zeitliche Vorgabe, die die Verpflichteten angesichts mitunter umfangreicher technischer und prozessualer Umsetzungsmaßnahmen überfordern kann.
Eine frühzeitige Erhebung und Analyse der potenziell betroffenen Geschäftsfelder und Einbindung der betroffenen Einheiten ist notwendig, um der Meldeverpflichtung nachzukommen. Zudem sind die Weichen auch für die weiteren Meldungen zu stellen, um die manuellen Bearbeitungsschritte soweit wie möglich zu reduzieren und die erforderliche Datenbasis weiter zu verbessern.
Angesichts der gegenwärtigen geopolitischen Entwicklungen ist ein Ende der Sanktionsspirale nicht auszumachen und eine Verschärfung von Meldepflichten denkbar.