
Einführung: Verschärfte Regulierung des Kryptomarktes
Die EU-Verordnung 2023/1113 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und Transfers bestimmter Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 (EU-Verordnung 2023/1113, kurz GTVO) zum Transfer von Kryptowerten markiert einen bedeutenden Schritt in der Regulierung des Kryptomarktes und der Bekämpfung von Geldwäsche. Als Teil eines umfassenden EU-Pakets zielt sie darauf ab, die Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Kryptotransaktionen erheblich zu verbessern. Die Einführung der „Travel Rule“ für Transfers ab 1000 Euro stellt dabei eine zentrale Neuerung dar, die Kryptoanbieter vor erhebliche operative Herausforderungen stellt.
Harmonisierung des Rechtsrahmens: Konsequenzen für Deutschland
Die GTVO vom 31. Mai 2023 dient der Umsetzung der Empfehlung 16 der Financial Action Task Force on Money Laundering (FATF). Die Verordnung ist seit dem 31. Mai 2023 in Kraft und gilt seit dem 30. Dezember 2024 unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Die unmittelbare Anwendbarkeit der Verordnung in Deutschland hat weitreichende Auswirkungen auf das nationale Recht. Insbesondere die Modifikation des Geldwäschegesetzes (GwG) durch den neu geschaffenen § 15a, der verstärkte Sorgfaltspflichten bei Transaktionen mit selbst gehosteten Adressen vorsieht, verdeutlicht die Verschärfung der regulatorischen Anforderungen. Die Außerkraftsetzung der deutschen Kryptowertetransferverordnung (KryptoWTransferV) zugunsten der EU-Verordnung führt zu einer Harmonisierung auf europäischer Ebene, was grundsätzlich zu begrüßen ist.
Technische Herausforderungen bei der Umsetzung der neuen Vorschriften
Die praktische Umsetzung der neuen Regelungen, insbesondere die technische Implementierung der „Travel Rule“, stellt die Branche vor erhebliche Herausforderungen. Die Entwicklung von Standards wie IVMS101[u1] zeigt, dass die Industrie proaktiv an Lösungen arbeitet, jedoch wird die flächendeckende Implementierung Zeit in Anspruch nehmen. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Regulierungsbehörden und der Industrie erforderlich, um praxistaugliche Lösungen zu entwickeln.
Datenschutzrechtliche Bedenken und die DSGVO-Problematik
Datenschutzrechtliche Bedenken, die sich aus den umfangreichen Informationspflichten ergeben, dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Die Erhebung und Weitergabe personenbezogener Daten bei Kryptotransaktionen steht in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Datenminimierung nach Art. 5 DSGVO. Es bedarf einer sorgfältigen Abwägung zwischen den legitimen Zielen der Geldwäschebekämpfung und dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer.
Marktkonsolidierung? – Risiken und Chancen der neuen Regulierung
Die mögliche Konsolidierung des Kryptomarktes als Folge des erhöhten regulatorischen Drucks birgt Chancen und Risiken. Einerseits könnte die Verdrängung kleinerer Anbieter die Innovationskraft des Sektors beeinträchtigen, andererseits könnte eine Professionalisierung das Vertrauen in den Markt stärken und zu einer breiteren Akzeptanz von Kryptowährungen führen. Für die Rechtsentwicklung bedeutet dies, dass künftige Regulierungen die Balance zwischen Sicherheit und Innovationsförderung wahren müssen.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Entwicklungen in den USA, wo das US-Finanzministerium angekündigt hat, Strafen im Rahmen des Corporate Transparency Act nicht durchzusetzen, zeigt sich ein interessanter Kontrast zur europäischen Herangehensweise. Während die EU mit der Verordnung 2023/1113 den regulatorischen Rahmen verschärft, scheint die USA einen Schritt zurück zu machen. Diese divergierenden Ansätze könnten zu Herausforderungen in der internationalen Zusammenarbeit bei der Geldwäschebekämpfung führen.
Die Begründung des US-Finanzministeriums, die Interessen hart arbeitender amerikanischer Steuerzahler und kleiner Unternehmen zu unterstützen, steht im Widerspruch zu den Zielen des Corporate Transparency Act, der darauf abzielte, die wachsende Beliebtheit der USA als Ort für Geldwäsche einzudämmen. Diese Entwicklung könnte möglicherweise zu einer Verlagerung von Geldwäscheaktivitäten in die USA führen, was wiederum den Druck auf die europäischen Regulierungsbehörden erhöhen könnte, ihre Maßnahmen zu verschärfen.
Globale Auswirkungen und mögliche Regulierungsarbitrage
Für die Zukunft ist zu erwarten, dass die regulatorische Landschaft im Bereich der Kryptowährungen und der Geldwäschebekämpfung weiter in Bewegung bleiben wird. Die EU-Verordnung 2023/1113 ist sicherlich nicht der Endpunkt der Entwicklung. Insbesondere die Schnittstellen zum klassischen Finanzsystem und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit bei der Regulierung dürften in den Fokus rücken. Die unterschiedlichen Ansätze in der EU und den USA könnten zu einem „regulatory arbitrage“ führen, bei dem Akteure versuchen, die für sie günstigsten Regelungen auszunutzen.
Für Rechtsanwender und Compliance-Verantwortliche wird es entscheidend sein, diese dynamischen Entwicklungen genau zu verfolgen und ihre Prozesse und Systeme kontinuierlich anzupassen. Die Herausforderung wird darin bestehen, den regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig die Chancen des wachsenden Kryptomarktes zu nutzen. Dabei müssen sie nicht nur die europäischen Vorgaben im Blick behalten, sondern auch die globalen Entwicklungen berücksichtigen.
Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass die EU-Verordnung 2023/1113 einen wichtigen Schritt zur Regulierung des Kryptomarktes darstellt, der jedoch im Kontext globaler Entwicklungen gesehen werden muss. Die divergierenden Ansätze zwischen der EU und den USA unterstreichen die Notwendigkeit einer verstärkten internationalen Koordination in der Geldwäschebekämpfung. Nur durch eine abgestimmte globale Strategie kann verhindert werden, dass Regulierungslücken entstehen, die von kriminellen Akteuren ausgenutzt werden können.
Über den Autor
Herr Dr. A. Dominik Brückel ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und Dozent mit Fokus auf Compliance-Themen wie zum Beispiel Geldwäscheprävention. Er hat langjährige Erfahrung im Bereich der Geldwäscheprävention sowohl als Berater im Finanzsektor als auch von diversen Wirtschaftsunternehmen, in der Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten sowie als Dozent bei diversen Bildungseinrichtungen für Fachanwälte und Compliance Experten.