Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht über immer höhere Bußgelder berichtet wird, die gegen Banken im Bereich der Geldwäschebekämpfung (AML) und der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung (CFT) verhängt werden. Die Bußgelder gehen oft in die Millionen, selbst wenn der eigentliche Verstoß eher geringfügig zu sein scheint. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein, wenn vergleichsweise schwere Verstöße nicht entsprechend geahndet werden. Die Vorgehensweise der Aufsichtsbehörden bei der Festsetzung von Geldbußen, insbesondere im AML/CTF-Bereich, ist oft alles andere als klar, geschweige denn europaweit harmonisiert.
In einem Bericht der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) aus Dezember 2024 heißt es daher
- „Mehr als die Hälfte aller nationalen Aufsichtsbehörden verfügte nicht über eine umfassende Durchsetzungs- und Sanktionspolicy oder entsprechende Verfahren. Dies bedeutete, dass die nationalen Aufsichtsbehörden auf die fachliche Einschätzung einzelner Mitarbeiter angewiesen sind, um die Schwere eines Verstoßes zu bestimmen, die Höhe von Geldbußen festzulegen oder über Verwaltungs- oder Abhilfemaßnahmen zu entscheiden„; und
- „bei fast der Hälfte aller nationalen Aufsichtsbehörden waren die Geldbußen oder Verwaltungsmaßnahmen oft niedrig und standen nicht im Verhältnis zur Schwere der Verstöße. Dies bedeutet, dass die Durchsetzung nicht immer wirksam war.„
Das neue europäische AML-Paket (einen Überblick hierzu finden Sie HIER) sieht vor, dass die neue europäische AML-Behörde (AMLA) diese Probleme durch die Entwicklung von Entwürfen technischer Regulierungsstandards angehen soll, die Folgendes enthalten:
- Indikatoren für die Einstufung des Schweregrads der Verstöße;
- Kriterien, die bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen oder der Anwendung von verwaltungsrechtlichen Maßnahmen zu berücksichtigen sind;
- eine Methode für die Verhängung von Zwangsgeldern, einschließlich ihrer Häufigkeit.
Vor diesem Hintergrund hat die EBA – anstelle der AMLA, die ihre Arbeit noch nicht voll aufgenommen hat – am 6. März 2025 Entwürfe technischer Regulierungsstandards (RTS-Entwurf) veröffentlicht (eine Übersicht zu diesem Entwurf finden Sie HIER).
I. Indikatoren zur Einstufung des Schweregrads der Verstöße
Nach dem RTS-Entwurf sollen die Aufsichtsbehörden den Schweregrad eines Verstoßes einstufen und den Verstoß auf der Grundlage festgelegter Indikatoren, wie Dauer oder Wiederholung des Verstoßes, Verhalten, das zu dem Verstoß geführt hat, Auswirkungen des Verstoßes usw., in eine von vier Kategorien einordnen:
- Kategorie 1: Verstöße mit keinen oder nur geringen direkten Auswirkungen auf den Verpflichteten, die nur kurze Zeit andauerten und nicht wiederholt begangen wurden.
- Kategorie 2: Mäßige Auswirkungen auf den Verpflichteten.
- Kategorie 3: Erhebliche Auswirkungen auf den Verpflichteten und der Verstoß dauerte über einen erheblichen Zeitraum an oder trat wiederholt oder systematisch auf.
- Kategorie 4: Sehr erhebliche Auswirkungen auf den Verpflichteten oder strukturelles Versagen der AML/CFT-Systeme. Zudem soll ein Verstoß als Kategorie 4 eingestuft werden, wenn der Verstoß zu erheblichen kriminellen Aktivitäten geführt oder diese erleichtert hat.
In der Praxis dürfte ein „Kategorie 4-Verstoß“ insbesondere dann relevant werden, wenn schwache AML/CFT-Systeme es Kriminellen erlauben, Konten beim Verpflichteten zu eröffnen und diese für kriminelle Zwecke ausnutzen.
Das Verschulden soll dagegen keinen Einfluss auf die Kategorisierung eines Verstoßes haben. Vorsätzliches Verhalten kann vielmehr zu einer Erhöhung der Geldbuße führen, sodass das Verschulden erst auf der zweiten Ebene der Festsetzung von Geldbußen eine Rolle spielen soll (hierzu sogleich).
Ein Verstoß in den Kategorien 3 oder 4 gilt automatisch als schwerwiegender, wiederholter oder systematischer Verstoß im Sinne von Artikel 55 AMLD. Die Folgen einer solchen Einstufung sind schwerwiegend:
- Die Höchstgeldbuße liegt grundsätzlich bei EUR 1.000.000 oder dem Zweifachen der infolge des Verstoßes erzielten Gewinne, sofern sich diese beziffern lassen.
- Bei Verpflichteten, die ein Kreditinstitut oder Finanzinstitut (i.S.d. AMLR) sind, beträgt die Höchstgeldbuße mindestens EUR 10.000.000 oder 10 % des jährlichen Gesamtumsatzes, der im letzten verfügbaren Abschluss ausgewiesen ist, je nachdem, welcher Betrag der höhere ist. Handelt es sich bei dem Verpflichteten um ein Mutterunternehmen oder ein Tochterunternehmen eines Mutterunternehmens, das zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses verpflichtet ist, wird dieser Schwellenwert auf Konzernebene berechnet.
- Bei Verpflichteten, die natürliche Personen sind, beträgt die Höchstgeldbuße mind. EUR 5.000.000.
Die oben genannten Geldbußen stellen aus diversen Gründen eine beträchtliche Verschärfung der derzeitigen Bußgeldrahmen dar:
- Der erhöhte Bußgeldrahmen des § 56 Abs. 3 S. 4 GwG findet derzeit nicht auf sämtliche Ordnungswidrigkeiten des GwG Anwendung (vgl. § 56 Abs. 2 GwG). Artikel 55 AMLD 6 bezieht sich demgegenüber auf sämtliche Pflichten aus Kapitel II (Interne Strategien, Verfahren und Kontrollen der Verpflichteten), Kapitel III (Sorgfaltsprüfung gegenüber Kunden), Kapitel V (Meldepflichten) und Artikel 77 der AMLR, was eine Ausweitung des erhöhten Bußgeldrahmens darstellen dürfte.
- § 56 Abs. 3 S. 4 GwG sieht Geldbußen von bis zu EUR 5.000.000 bzw. 10 % des Gesamtumsatzes vor, je nachdem welcher Betrag höher ist. Die absolute Höchstgeldbuße wird sich also verdoppeln. Während diese Erhöhung für große Unternehmen mit Umsätzen über EUR 100.000.000 in der Praxis nur geringe Auswirkungen haben dürfte, da für sie ohnehin schon die 10 %-Schwelle relevant war, werden die Änderungen durch Artikel 55 AMLD primär kleinere und mittlere Unternehmen treffen.
Trotz des im neuen RTS-Entwurf vorgesehenen Kategorisierungssystems bleiben allerdings zentrale Fragen offen. Zunächst führt Artikel 55 AMLD 6 nur zu einer Anhebung der Höchstgeldbuße, nicht aber auch der Mindestgeldbußen. Der Ermessensspielraum der Aufsichtsbehörden vergrößert sich damit sogar. Zudem enthält der RTS-Entwurf keinerlei Vorgaben zur Behandlung von Verstößen der Kategorien 1 und 2.
II. Kriterien, die bei der Festlegung der Höhe der Geldstrafen oder der Anwendung von Verwaltungsmaßnahmen zu berücksichtigen sind
Der RTS-Entwurf legt zudem Indikatoren fest, die sich positiv oder negativ auf eine Geldbuße auswirken sollen.
Eine vorgesehene Geldbuße verringert sich unter anderem, wenn die verantwortliche natürliche oder juristische Person
- mit der Aufsichtsbehörde zusammenarbeitet,
- die Aufsichtsbehörde schnell und effektiv auf den gesamten Verstoß aufmerksam gemacht hat,
- aktiv und effektiv zu der von der Aufsichtsbehörde durchgeführten Untersuchung des Verstoßes beigetragen hat,
- wirksame und rechtzeitige Abhilfemaßnahmen ergriffen hat, um den Verstoß zu beenden, oder
- freiwillig angemessene Maßnahmen ergriffen hat, um ähnliche Verstöße in Zukunft wirksam zu verhindern.
Umgekehrt erhöht sich die vorgesehene Geldbuße unter anderem dann, wenn die verantwortliche natürliche oder juristische Person
- nicht mit der Aufsichtsbehörde zusammengearbeitet hat,
- der Aufsichtsbehörde nichts mitgeteilt hat, was die Aufsichtsbehörde vernünftigerweise hätte erwarten können,
- Maßnahmen ergriffen hat, die darauf abzielen, den Verstoß gegenüber der Aufsichtsbehörde teilweise oder vollständig zu verbergen oder die Aufsichtsbehörde irrezuführen, oder
- keine Abhilfemaßnahmen ergriffen hat.
Diese Kriterien unterstreichen die Bedeutung einer unverzüglichen und transparenten Reaktion auf Verstöße gegen die geldwäscherechtliche Bestimmungen und anschließender interner Untersuchungen bzw. „Lessons Learned“-Übungen. Eine starke Risikokultur (siehe hierzu auch den Entwurf des EZB-Leitfadens zu Governance und Risikokultur) zielt daher nicht nur auf die Verhinderung von Verstößen ab, sondern kann auch zu geringeren Geldbußen im Zusammenhang mit aufgedeckten Verstößen beitragen.
Ebenfalls im Rahmen der Bußgeldbemessung zu berücksichtigen ist der Verschuldensgrad, der aus dem Verstoß gezogene Nutzen sowie die Schäden, die Dritten durch den Verstoß entstanden sind. Eine dem § 17 Abs. 2 OWiG entsprechende Halbierung des Bußgeldrahmens für fahrlässiges Verhalten fehlt allerdings.
Darüber hinaus soll auch die finanzielle Leistungsfähigkeit des Verpflichteten berücksichtigt werden, wobei die Aufsichtsbehörden u.a. auf den jährlichen Umsatz abstellen sollen. Anders als beim Bußgeldrahmen bleibt allerdings offen, was dies konkret bedeutet. Jedenfalls bei Banken stellen einzelne europäische Aufsichtsbehörden insoweit beispielsweise auf das aufsichtsrechtliche Eigenkapital des Verpflichteten ab und beschränken Geldbußen auf den aufsichtsrechtlichen Kapitalpuffer. Vergleichbare Ansätze fehlen im RTS-Entwurf.
III. Methodik für die Verhängung von Zwangsgeldern
Zwangsgelder (periodic penalty payments) sind dem deutschen Verwaltungsvollstreckungsrecht schon lange bekannt. § 11 Abs. 1 VwVG sieht vor, dass, wenn eine Handlung durch einen anderen nicht vorgenommen werden kann und sie nur vom Willen des Pflichtigen abhängt, so kann der Pflichtige zur Vornahme der Handlung durch ein Zwangsgeld angehalten werden. § 17 FinDAG sieht für von der BaFin beaufsichtigte Verpflichtete ein noch weiteres Handlungsspektrum vor, insb. die Möglichkeit Zwangsmittel „für jeden Fall der Nichtbefolgung anzudrohen“.
Im europäischen Recht waren Zwangsgelder dagegen lange Zeit unbekannt, entwickeln sich aber zunehmend zu einem aktiven Aufsichtsinstrument, insb. für die EZB. Für den Fall, dass die Verpflichteten den verwaltungsrechtlichen Maßnahmen nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkommen, werden die Zwangsgelder als ein Instrument angesehen, „um den Druck auf die Verpflichteten zu erhöhen, damit sie die Vorschriften unverzüglich wieder einhalten“.
Der RTS-Entwurf legt in diesem Zusammenhang nun fest, dass
- die verantwortliche natürliche oder juristische Person das Recht haben soll, angehört zu werden, bevor eine Entscheidung über die Verhängung eines Zwangsgeldes getroffen wird;
- in einer Entscheidung über die Auferlegung eines Zwangsgeldes zumindest die Rechtsgrundlage, die Gründe für die Entscheidung und der Betrag anzugeben, der für die Berechnung des endgültigen aufgelaufenen Betrags des Zwangsgeldes verwendet wird;
- der Zwangsgeldbetrag auf täglicher, wöchentlicher oder monatlicher Basis festgelegt werden kann und
- das Zwangsgeld nur für den Zeitraum der Nichteinhaltung der betreffenden Verwaltungsmaßnahme vollstreckt und eingezogen werden darf.
IV. Nächste Schritte
Es wird einige Zeit dauern, bis die oben vorgeschlagenen Kriterien in der Praxis angewendet werden: Der RTS-Entwurf ist Teil einer EBA-Konsultation, auf die Interessierte bis zum 6. Juni 2025 reagieren können.
Die RTS-Entwürfe werden der Kommission bis zum 10. Juli 2026 vorgelegt. Die AMLD 6 selbst muss bis zum 10. Juli 2027 in nationales Recht umgesetzt werden; zu diesem Zeitpunkt werden auch die RTS-Entwürfe in Kraft treten. Nichtsdestotrotz senden die RTS-Entwürfe bereits jetzt eine klare Botschaft, dass Verpflichtete gut beraten sind, die AML/CFT-Anforderungen zu erfüllen.
Über die Autoren:
Jan Struckmann ist Principal Associate bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt am Main und spezialisiert auf die Beratung in den Bereichen financial regulation, capital markets law, corporate law and M&A in the financial sector. Ein besonderer Fokus seiner Tätigkeit liegt auf der Prävention und Aufarbeitung wirtschaftskrimineller Sachverhalte. Neben seiner anwaltlichen Praxis publiziert er regelmäßig zu Compliance- und Haftungsthemen.
Alicia Isabelle Hildner ist Counsel bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Frankfurt am Main. Frau Hildner berät insb. Finanzinstitute in allen Aspekten des Regulierungsrechts, Hierzu gehört insbesondere die Betreuung von FinTech-Unternehmen wie Neo-Broker, E-Geld-Institutionen und Zahlungsdienstleistern in allen Aspekten ihrer Geschäftsmodelle, einschließlich Lizenzanforderungen, Finanzierungsrunden, Governance-Fragen und fortlaufende regulatorische Anforderungen.
Frau Hildner veröffentlicht regelmäßig Artikel und hält Präsentationen unter anderem in den Bereichen Zahlungsdienste und Geldwäscherecht.