Russland-Sanktionen: Wie können sie konkret umgesetzt werden?

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Die Finanzdienstleister müssen sicherstellen, dass neue Sanktionen schnell und effektiv in die Prozesse integriert werden. Aber was konkret muss getan werden, um die Vielzahl der Sanktionsmaßnahmen in den Unternehmen umzusetzen? Und wie stellen sie sicher, dass tagesaktuell neue auferlegte Sanktionen erkannt werden? Wir geben einen Überblick über die Herausforderungen mit denen sowohl Legal- und Complianceeinheiten, als auch Fachbereiche und die IT-Abteilungen nun konfrontiert sind.

Governance, Organisation, Prozesse und Tools: Daten, Daten, Daten

Eine händische (manuelle) Überprüfung des Kundenbestandes auf eine Übereinstimmung mit den neuen russischen sanktionierten Personen ist sehr aufwendig und sicher nur in kleinen Unternehmen praktikabel. Spätestens im Firmenkundengeschäft von Banken und Versicherungen und damit der Überprüfung des wirtschaftlich Berechtigten ist die Nutzung spezialisierter Watchlist-Anbieter unerlässlich, da verschiedene Sanktionslisten geprüft werden müssen. Weiterer Vorteil ist, dass die Prüfung protokolliert wird und das im Rahmen einer Zoll- und Außenprüfung ein wichtiger Beweis ist.

Sanktionen sind zwingend umzusetzen, sobald sie im EU-Amtsblatt veröffentlicht wurden. Die Frage ist, wie schnell wiederum neue Sanktionen in die Listen der gängigen Daten- und Softwareanbieter (z.B. Reguvis, Dow Jones) einfließen. Nach Aussage der Deutschen Bundesbank „kann nicht ausgeschlossen werden, dass Rechtsakte hier nur mit zeitlicher Verzögerung eingestellt oder nach ihrer Aufhebung wieder gelöscht werden.“ Somit kann es in der Übergangszeit notwendig sein, dass manuelle Listen erstellt werden, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Ähnliche Prozesse greifen, wenn das BMWi Frühwarnhinweise herausgibt.

Checkliste:

  1. Sind Verantwortlichkeiten für ein kontinuierliches Monitoring von Sanktionsankündigungen und -umsetzungen festgelegt?
  2. Haben Sie Rücksprache mit Ihrem Anbieter der Sanktionslisten zur generellen Integration der aktuell sanktionierten Personen und Unternehmen und deren Vermögenswerte, wie Yachten und Flugzeuge, in vorhandene Sanktionslisten gehalten? 
  3. Wurde mit dem Anbieter der Zeithorizont zur Integration der neuen Sanktionen in die entsprechenden Listen geklärt? 
  4. Für den Fall, dass keine interne Dokumentation in Ihrem Unternehmen vorhanden sein sollte, haben Sie mit dem Anbieter besprochen, ob Ihr Unternehmen alle relevanten Sanktionslisten bezieht? 
  5. Werden alle neuen Sanktionen mit einem Update eingearbeitet oder werden Ihnen diese sukzessive über einen bestimmten Zeitraum bereitgestellt? Wie oft erfolgen Updates? 
  6. Prüfen Sie, ob die Änderungen automatisiert Ihrer internen Sanktionslistendatenbank hinzugefügt oder die Daten bei Fall-zu-Fall-Prüfungen beim Anbieter abgerufen werden müssen? Haben Sie den deutlich höheren Aufwand für manuelle Prüfungen eingeplant und mögliche Fehlerrisiken einkalkuliert? Müssen die Daten gegebenenfalls manuell zusammengestellt und eingearbeitet werden? 
  7. Haben Sie die Einstellungen und Listen im Sanktionsscreening-Tool geprüft? Das betrifft bspw. die Kontrolle der Liste der Prior-Review-Länder, ob bestimmte Informationen zusätzlich Risikopunkte zu den Gesamtergebnissen des Screenings erzeugen, um damit die Qualität des Screenings für die russischen Personen bzw. Institutionen zu erhöhen. 
  8. Überprüfen Sie alle offenen Backlog-Fälle, insbesondere Treffer von noch ausstehenden Zahlungen in der Warteschleife bzw. neuer Fälle?

Vor diesem Hintergrund sollten Finanzdienstleister ihre internen Compliance-Strukturen überprüfen und analysieren, ob ausreichend personelle und sachliche Ressourcen für die kurzfristige Umsetzung der Anforderungen zur Verfügung stehen. Je nach Betroffenheit des Unternehmens kann die Einrichtung einer internen Taskforce Zuständigkeiten regeln und Aufgaben koordinieren.

Prozesse: Kommunikation und Schulungen

Für die operative Umsetzung der neuen Sanktionen bedarf es außerplanmäßiger Mitarbeiterschulungen zu den aktuellen Wirtschaftssanktionen. Eine Auffrischungsschulung, die zusätzlich zu den regelmäßigen Schulungen stattfindet und sich auf Sanktionen konzentriert, hilft den Mitarbeitern nicht nur, ein besseres Verständnis der Situation zu vermitteln, sondern auch Handlungsanweisungen kompetent umzusetzen. Zudem ermöglichen die Spezialschulungen, die begrenzten Mitarbeiterkapazitäten neu zu priorisieren.  

Neben der internen Kommunikation kommt der Kommunikation nach außen, sprich gegenüber den Kunden, eine elementare Rolle zu. Als allgemeine Informationsmedien mit großer Streubreite dienen Informationsportale im Internet (Beispiel) und E-Mails. Jedoch muss sich jedes Finanzdienstleistungsinstitut auf einen starken Anstieg persönlicher und telefonischer Kundenanfragen einstellen, wofür wiederum Mitarbeiter bereitgestellt und entsprechend geschult werden müssen. 

Checkliste: 

  1. Überprüfen Sie Ihre bestehenden Arbeitsanweisungen auf Aktualität und Angemessenheit in Bezug auf die neuen Sanktionen? Prüfen Sie bspw., ob einige Fälle von nun an auch direkt an die Compliance-Ebene eskaliert werden sollen? 
  2. Haben Sie die verantwortlichen Personen festgelegt, die die Kommunikation zum Kunden ausarbeiten (Textinhalt, Medium, etc.) und umsetzen? 
  3. Hat Compliance sichergestellt, dass die Kommunikationsprozesse in Richtung Kunde klar beschrieben sind (z.B. für die Kontaktaufnahme zum Kunden und zur Bearbeitung von Problemen oder offenen Fragen)? 
  4. Wer ist für die Erstellung neuer oder die Aktualisierung der vorhandenen Schulungsmaterialien verantwortlich? 
  5. Wurde eine verantwortliche Person festgelegt, die definiert und kontrolliert, wer an den Schulungen teilnehmen muss? 
  6. Wurde eine vollständige Liste der zu schulenden MitarbeiterInnen erstellt, die die jeweils zu vermittelnden Themen vermerkt sowie eine Schulungsfrist festgelegt? 
  7. Wer leitet die Schulung? Gibt es im Team Vertretungsregelungen? 
  8. Welche Medien werden genutzt (online/offline, live/Aufzeichnung, Moderator, technischer Support)? 
  9. Wie wird dokumentiert, dass alle benannten MitarbeiterInnen an der Schulung teilgenommen haben? 

Governance und Reporting: Dokumentation 

Zur Umsetzung der Sanktionen gegen Russland beteiligt sich Deutschland an einer internationalen Task Force unter Beteiligung der Vereinigten Staaten, der EU-Kommission, Kanada, Frankreich und Italien. Darüber haben verschiedene Industrie- und Handelskammern in Deutschland regionale Taskforces gegründet um betroffene Unternehmen bei der Umsetzung der Sanktionen gezielt beraten zu können. 

Eine verbindliche Aussage, wie oft und in welcher Weise Kundendaten gegen Sanktionslisten geprüft werden müssen, ist seitens des Gesetzgebers nicht vorgegeben. Es muss ein „wirtschaftlich und technisch vertretbarer Aufwand betrieben werden“, um zu vermeiden, dass die gelistete Person oder Unternehmen Waren, Dienste oder finanzielle Unterstützung erhält.  

WAS ausreichend ist, hängt zweifelsfrei auch von der Art des Geschäfts ab: Während Zahlungsströme beim Versicherer i.d.R. monatlich oder jährlich bzw. im Schadenfall stattfinden, erfolgen Ein- und Auszahlungen sowie Überweisungen bei Banken rund um die Uhr und 7 Tage die Woche. OB etwas ausreichend ist (war), entscheidet im Streitfall ein Richter. Ein aussagekräftiges Prüfprotokoll kann vor unangenehmen Rechtsfolgen schützen.

Checkliste: 

  1. Wer ist für die Erfassung möglicher Änderungen der Anforderungen an die aktuelle Berichterstattung verantwortlich? Das betrifft z.B. die Art und Weise der Meldung eines potenziellen Sanktionsverstoßes, Empfänger und einzuhaltende Fristen. 
  2. Wie oft und in welcher Form wird der Vorstand bzw. die Geschäftsleitung über den aktuellen Stand in Ihrem Unternehmen informiert? 
  3. Haben Sie alle personellen Verantwortlichkeiten und Vertretungsregeln festgelegt und dokumentiert? 

Kultur in der Organisation 

Die strikte Einhaltung der außenwirtschaftlichen Vorschriften, insbesondere der verhängten Wirtschaftssanktionen, sind Teilaspekte der Verhaltensrichtlinien von Unternehmen. Die Befolgung dieser trägt zu einer besseren Unternehmenskultur bei; langfristig werden Unternehmen damit auch profitabler.  

Allerdings gibt es kein Standardmodell für die Entwicklung einer geeigneten Unternehmenskultur und somit auch keine Blaupausen für die Umsetzung ethisch korrekten Verhaltens.  

Humanitäre und weltpolitische Ausnahmesituationen wie die aktuelle es ist, bedürfen der aktiven und offenen Begleitung. Dabei können einerseits die allgemeinen Ängste und Sorgen der Mitarbeiter besprochen, aber ebenso die Risiken und Folgen für das Unternehmen erläutert werden, die aus Sanktionsverletzungen entstehen. 

Vorbeugung mittels Sanktionsklauseln 

Die im Zuge der aktuellen Russland-Ukraine-Krise verhängten Handels- und Finanzsanktionen unterliegen momentan einer starken Veränderungsdynamik. Auch in Hinblick auf zukünftige Sanktionen empfiehlt sich eine abteilungsübergreifende Compliance-Organisation im Unternehmen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollten (zukünftige) Verträge mit Russlandbezug mit Sanktionsklauseln versehen werden. Der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat bspw. eine entsprechende Sanktionsklausel erarbeitet, die regelt, dass Versicherungsschutz über den Versicherungsvertrag nur dann besteht, wenn dem keine – auf den Versicherungsnehmer und / oder Versicherer – direkt anwendbaren Wirtschafts-, Handels- oder Finanzsanktionen bzw. Embargos der Europäischen Union oder der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen5. Da russische Gerichte diese in der Regel nicht anerkennen, ist auch auf Rechts- und Gerichtstandwahl zu achten. 

Vorgehen bei einer sanktionierten Geschäftsbeziehung 

Sollte es sich wirklich um einen sanktionierten Geschäftspartner handeln, ist die Handelsbeziehung nach Außenhandelsrecht sofort zu unterbinden. Die Geschäfte werden dann für gewöhnlich für nichtig oder schwebend unwirksam (bei Ausnahmetatbestand) erklärt. Die Rückabwicklung des Geschäfts kann allerdings langwierig sein. Im schlimmsten Fall droht eine Vertragsstrafe wegen Nichterfüllung des Vertrages. Grundsätzlich sollte jedoch jedes Unternehmen bereits heute über ein detailliertes und revisionssicheres Vorgehensmodell für solche Situationen haben. 

Mögliche Strafen bei Verstößen:

„Es ist die Aufgabe eines qualifizierten Risikomanagements, den Fall genau zu prüfen. Manchmal mag ein Verstoß gegen das Außenhandelsrecht wirtschaftlich lukrativer sein als die Nichterfüllung des Vertrages. Der drohender Imageverlust und der Verstoß gegen jegliche (Firmen-) Ethik sollten auf jeden Fall in die Bewertung mit einfließen.6 Die Nichteinhaltung der Sanktionen kann sonst leicht zum Bumerang werden.“ 

Zum tieferen Verständnis empfehlen wir Ihnen folgende vorherige Beiträge: 

  • Kathleen Lerch, „Stärkere Sanktionen gegen Russland“Stärkere Sanktionen gegen Russland | LinkedIn
  • Politically Exposed Persons:https://www.linkedin.com/posts/wiacon_afc-knowledgetuesday-pep-activity-6787737129041575936-gOPZ
  • Relatives and Close Associates: https://www.linkedin.com/posts/wiacon_afc-knowledgetuesday-rca-activity-6790273001708384256-jbld
  • Cross Boarder Wire Transfers: https://www.linkedin.com/posts/wiacon_afc-knowledgetuesday-cbwt-activity-6792789163587452928-Uwf5
  • Currency Transaction Report: https://www.linkedin.com/posts/wiacon_afc-dictionary-what-is-ctr-activity-6800401640923910144-aJU0

Quellen / Verweise:

Hinweis: Der Beitrag erschien zuerst bei WIACON.

Über die Autorin:

Zsófia Benke-Ruhl ist Senior Consultant bei Winde Analytics & Consulting GmbH. Ihr Schwerpunkt liegt im globalen IT-Rollout-Projektmanagement und in der Umsetzung von Maßnahmen zur Einhaltung von Wirtschaftssanktionen und AML-Vorschriften in mehr als 30 Ländern weltweit. Mehr Informationen zu Frau Benke-Ruhl finden Sie hier.
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