FATF-Deutschlandprüfung: Erste Einblicke in das Ergebnis liegen vor

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Seit September 2020 findet die Deutschlandprüfung der Financial Action Task Force (FATF) statt. Mittlerweile sind alle Prüfungsstationen durchlaufen worden (einen umfassenden Einblick in das Länderprüfungsverfahren gibt es hier). Der Abschluss der Evaluation findet mit der Veröffentlichung des Schlussberichts (sog. Mutual Evaluation Report (MER)) statt. Voraussichtlich im September 2022 ist es soweit.

Welches Ergebnis ist für die Deutschlandprüfung zu erwarten?

Das Ergebnis dieser Prüfung gilt als besonders spannend. Seit Jahren wird Deutschland immer wieder als “Geldwäscheparadies” bezeichnet. Bis zu 100 Milliarden Euro sollen in Deutschland jährlich gewaschen werden.

Eine Veröffentlichung von Zwischenergebnissen ist im Rahmen einer FATF-Länderprüfung an sich nicht vorgesehen. Entgegen dieser Gepflogenheit hat die FATF jedoch kürzlichen einen Ausblick auf den kommenden Schlussbericht geben.

Keine glatte Sechs, aber auch kein „sehr gut“

So berichtete die FATF über die Erörterungen der Bewertung Deutschlands im Rahmen ihrer Plenartagung vom 14. bis 17. Juni 2022 in Berlin. Das Plenum kam zu dem Schluss, dass Deutschland in den letzten fünf Jahren zwar Verbesserungen an seinem Rahmen für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vorgenommen hat, einige dieser jüngsten Reformen aber noch nicht voll wirksam sind.

So sei die technische Übereinstimmung mit den FATF-Standards (Technical Compliance) im Allgemeinen gut. Deutschland habe „positive Schritte unternommen“, um auf nationaler Ebene ein besseres Verständnis für die Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zu entwickeln, die Koordinierung zwischen Bund und Ländern zu verbessern und die Personalausstattung der wichtigsten Einrichtungen zu erhöhen.

In bestimmten Bereichen seien jedoch noch erhebliche Verbesserungen erforderlich, u. a.

  • bei der wirksamen Überwachung des Privatsektors (insbesondere des Nicht-Finanzsektors),
  • der Verbesserung der Verfügbarkeit von und des Zugangs zu Informationen über die wirtschaftlich Berechtigten,
  • der verstärkten Entwicklung und Nutzung von Finanzinformationen durch alle zuständigen Behörden, einschließlich der Financial Intelligence Unit und der Strafverfolgungsbehörden, sowie
  • der Priorisierung von Geldwäscheermittlungen und -verfolgungen.

Status Quo der Geldwäschebekämpfung in Deutschland

Dieser Ausblick auf den kommenden MER zeigt, dass die Prüfung bestehende Mängel Deutschlands bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung offenlegen wird. Die genannten Kritikpunkte sind jedoch nicht neu. Schon die erste nationale Risikoanalyse der BRD (NRA) 2019 kam zu ähnlichen Feststellungen.

Auch ein Vergleich mit der letzten Deutschlandprüfung 2010 durch die FATF zeigt, dass viele der schon damals kritisierten Punkte auch heute noch aktuell sind. Hierzu gehören u.a. die unzureichende Informationsbasis und Statistik zur Geldwäsche in Deutschland, die mangelnde Wirksamkeit der Aufsicht über den Nichtfinanzsektor und die unzureichende Kenntnis der Verpflichteten des Nichtfinanzsektors bzgl. ihrer Pflichten nach dem Geldwäscherecht.

Wirtschaftsstandort Deutschland

Deutschland gilt allgemein als sehr attraktiv für Geldwäsche. Dies liegt zum einen an der wirtschaftlichen und politischen Stabilität der BRD und der hohen Rechtssicherheit, die Privatpersonen und Unternehmen hier genießen. Auch ist Deutschland international sehr verflochten, was Mitgliedern der organisierten Kriminalität den Zugang erleichtert. Zum anderen erleichtern bestehende Strukturen und Zustände das Einschleusen, Verschleiern und Platzieren von Vermögenswerten aus kriminellen Vortaten.

Zersplitterte Aufsichtslandschaft

Die Geldwäscheaufsicht in Deutschland ist nicht einheitlich organisiert. Mehr als 300 Behörden sind für hierfür zuständig. Je nach Region und Branche existieren sehr unterschiedliche Institutionen, die für eine große Anzahl teils international aufgestellter Wirtschaftsakteure zuständig sind. Viele davon gelten als personell und fachlich unzureichend aufgestellt. Auch die Koordination und Zusammenarbeit zwischen den Behörden wird schon länger kritisiert. Sehr eindrucksvoll hat dies auch der Fall Wirecard gezeigt, bei dem sich die Zuständigkeit für den Bereich Geldwäsche zwischen den Behörden nicht klären ließ.

Verbreitete Bargeldwirtschaft

Deutschland ist nach wie vor ein sehr bargeldintensives Land. Die weite Verbreitung Banknoten erleichtert die Verschleierung von Vermögenswerten. Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten der EU, existiert in Deutschland keine Bargeldobergrenze für Geschäfte. Selbst hohe Beträge, wie z. B. für Immobilien oder Schmuck, können vollständig in bar bezahlt werden. Zwar existieren hier teilweise Schwellenwerte, ab denen von den Verpflichteten Sorgfaltsmaßnahmen, wie bspw. die Identifizierung der Kunden, zu ergreifen sind, diese Maßnahmen werden jedoch als unzureichend kritisiert.

Ineffektives Verdachtsmeldewesen

Die deutsche Financial Intelligence Unit (FIU) gilt als ineffizient und langsam. So werden Verdachtsmeldungen teilweise nicht oder nicht rechtzeitig an die zuständigen Behörden weitergeleitet. Eine entsprechende Aufbereitung der Verdachtsfälle findet nicht immer statt, so dass Ermittlungsbehörden häufig damit nicht wirksam arbeiten können. Die von der FIU erstellten Rückmeldeberichte werden sehr oberflächlich verfasst und geben den Verpflichteten kaum Hinweise, wie sie die Qualität ihrer Verdachtsmeldungen verbessern können. Ein wirksamer Erfahrungsaustausch mit Verpflichteten findet nur sehr eingeschränkt statt.

Mangelnde Transparenz bzgl. der wirtschaftlich Berechtigten

Die Ermittlung und Identifizierung des wirtschaftlich Berechtigten ist eine der wichtigsten Sorgfaltspflichten des Geldwäschegesetzes und fester Bestandteil des Know your Customer-Prinzips. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist ein schneller und vollständiger Zugang zu den entsprechenden Informationen nötig. Das hierfür geschaffene Transparenzregister erfüllt diese Bedürfnisse jedoch nur unzureichend. Die derzeitigen Bemühungen zur Stärkung und Vernetzung des Transparenzregisters erfolgen nur langsam. Digitale Schnittstellen zu den dort enthaltenen Informationen sollen frühestens 2023 zur Verfügung gestellt werden und nur für besondere Verpflichtete nutzbar sein. Schließlich ist ein erweiterter Zugang von Verpflichteten zu anderen wichtigen Quellen, wie den Grundbüchern, nicht vorgesehen.

Wenige belastbare Statistiken

Um die Risiken komplexer Geldwäsche und illegaler Finanzströme verstehen und dagegen wirksam vorgehen zu können, ist ein Land auf aussagekräftige Informationen angewiesen. Die Datenlage hierzu gilt in Deutschland jedoch als unzureichend. Schon der Abschlussbericht der FATF zur Deutschlandprüfung 2010 bemängelte dieses Defizit.

Strafermittlung und -verfolgung nicht ausreichend

Die Strafermittlung und -verfolgung von Geldwäschefällen wird von Praktikern als wenig effektiv eingeschätzt. Die Bundesregierung hat hier mit dem erst kürzlich in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Verfolgung der Geldwäsche bereits erste Schritte zur Verbesserung unternommen. Das Problem der mangelnden (personellen) Ausstattung und der unzureichenden internationalen Vernetzung der Behörden wurde damit jedoch nicht gelöst. Ohne Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen und Strukturen für die Untersuchung und Verfolgung komplexer Geldwäschesysteme wird eine wirksame und rechtzeitige Strafverfolgung nicht möglich sein.

Internationale Zusammenarbeit und Kooperation

Geldwäsche wird überwiegend international betrieben. Hier gibt es in Deutschland immer noch großen Verbesserungsbedarf. Eine verstärkte internationale Zusammenarbeit und durch Stärkung der Kapazitäten für grenzüberschreitende Untersuchungen, Harmonisierung der Vorschriften und Koordinierung auf EU-Ebene ist für eine effektive Geldwäschebekämpfung unabdingbar.

Ineffektive pauschale Regulierung

Die geldwäscherechtlichen Verpflichtungen betreffen eine große Anzahl von Wirtschaftsakteuren von unterschiedlicher Größe und aus den verschiedensten Branchen. Zu den Verpflichteten des Geldwäschegesetzes zählen beispielsweise sowohl international operierende Großbanken, als auch kleine örtliche Einzelhändler. Das Geldwäschegesetz nimmt darauf insoweit Rücksicht, als dass es zum einen gewisse Verpflichtungen nicht allen Betroffenen gleichermaßen aufbürdet (z.B. die Pflicht zur Einrichtung eines Risikomanagements in § 4 Abs. 4 und 5 GwG). Zum anderen soll der risikobasierte Ansatz den Verpflichteten einen gewissen Spielraum bei der Geldwäscheprävention ermöglichen.

Dennoch stellt die rechtskonforme Erfüllung der geltenden Verpflichtungen für die meisten betroffenen Wirtschaftsakteure eine große Herausforderung dar. Dies liegt auch daran, dass es hier häufig an Klarstellungen und entsprechenden Praxisbeispielen mangelt.

Auch entpuppt sich der risikobasierte Ansatz häufig nur als bloße Theorie. Dies zeigt sich besonders bei Verpflichteten, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben einer regelmäßigen externen Prüfung unterliegen, wie es z.B. bei Kreditinstituten der Fall ist. Um betroffenen Unternehmen und Prüfern eine bessere Orientierung zu geben, sind noch klarere und umfassendere Branchenregel nötig, als sie bisher existieren.

Olaf Scholz verweist auf „Bemühungen der vergangenen Jahre“

Und wie reagiert die Bundesregierung auf die Kritik der FATF? Olaf Scholz persönlich erklärte auf der FATF-Plenartagung Mitte Juni in Berlin, die BRD habe ihre Bemühungen in den vergangenen Jahren verstärkt und eine ganze Reihe von Maßnahmen gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung ergriffen:

  • Schließung von Gesetzeslücken zum Beispiel im Immobiliensektor
  • höhere Anforderungen an Meldepflichten für Notare, Anwälte, Steuerberater
  • effektivere Strafverfolgung durch die Reform des Straftatbestands der Geldwäsche
  • Stärkung der Financial Intelligence Unit (Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen) für die Meldung verdächtiger Geldströme
  • Verbesserung des nationalen Transparenzregisters

Das Ziel sind starke, moderne und effiziente Gesetze und Institutionen im Kampf gegen Geldwäsche, so Scholz. Der Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung könne aber nur zusammen gewonnen werden, mahnte der Kanzler. Er sprach sich hierbei für ein weltweites Transparenzregister aus. In diesem Verzeichnis solle offengelegt werden, „wer am Ende tatsächlich von Gewinnen profitiert oder hinter Besitztümern steckt“. Nähere Einzelheiten zur Ausgestaltung und zu möglichen Plänen für ein solches globales Transparenzregister nannte Scholz jedoch nicht.

Fazit

Die FATF hat in der Vergangenheit bewiesen, dass sie bestehende Mängel bei der Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung identifizieren und adressieren kann. Gerade im Rahmen der sehr intensiv und aufwändig betriebenen Länderprüfungen erhalten die Mitgliedstaaten für gewöhnlich ein objektives und ehrliches Bild ihrer eigenen Bemühungen.

Es erscheint durchaus realistisch, dass der Abschlussbericht der FATF-Deutschlandprüfung entsprechende Mängel offenbart und die bisherigen Maßnahmen als nicht ausreichend einstuft. Dass ein solches Ergebnis von den Verantwortlichen in Politik, Verwaltung und Wirtschaft vermutlich zunächst als Gesichtsverlust wahrgenommen wird, muss kein Nachteil. Dies zeigt ein Vergleich mit den Erfahrungen aus der Zeit nach der letzten FATF-Prüfung 2010. Die BRD unternahm zahlreiche (überwiegend gesetzliche) Anstrengungen, um die von den Prüfern bemängelten Punkte zu verbessern.

Auch diesmal sollte die nationale und internationale Aufmerksamkeit der Länderprüfung als Chance begriffen werden, die eigenen Regelungen und Strukturen grundlegend auf den Prüfstand zu stellen. Hoffnung macht, dass in der aktuellen Prüfungsrunde die Effektivität der Maßnahmen und Regelungen im Fokus steht. Dies war bei der letzten Prüfung 2010 noch anders, da damals insbesondere Verfehlungen in der Gesetzgebung kritisiert wurden.

Gerade die Wirksamkeit der bestehenden Bestimmungen und Strukturen ist aber das offensichtliche Problem der Bundesrepublik bei der Geldwäschebekämpfung, wie der Ausblick der FATF auf den Abschlussbericht zeigt. Es erscheint daher unwahrscheinlich, dass Deutschland im Nachgang zur aktuellen Prüfung mit der bloßen Änderung von Gesetzen und Bestimmungen die eigenen Unzulänglichkeiten glaubhaft beseitigen kann.

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