Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet Unternehmen zur Einrichtung einer internen Meldestelle und stärkt den Schutz von Hinweisgebern. Daneben macht das Gesetz eine ganze Reihe an anspruchsvollen Vorgaben, wie mit Meldungen zu verfahren ist. Insbesondere den Anforderungen an die Vertraulichkeit und die rechtliche Einordnung der gemeldeten Sachverhalte müssen Meldestellenmitarbeitern gerecht werden. Daher besteht im Hinweisgeberschutzgesetz auch die gesetzliche Pflicht zur Sicherstellung der „notwendigen Fachkunde“ der mit der Meldebearbeitung betrauten Personen. Doch was genau beinhaltet diese „Fachkunde“ und wie kann die Fachkunde nachgewiesen werden?
Nun ist es soweit: Nach einer jahrelangen Odyssee wurde Mitte Mai 2023 das Hinweisgeberschutzgesetz final verabschiedet. Mit dem Regelwerk soll die Bereitschaft, Missstände im eigenen Unternehmen zu melden, gefördert werden. Hierzu sollen potenzielle Hinweisgeber besser vor drohenden Nachteilen geschützt werden.
Nun müssen betroffene Unternehmen in kurzer Zeit (das Gesetz wird voraussichtlich Anfang Juli 2023 in Kraft treten) eine ganze Reihe an Vorgaben umsetzen (zu den Einzelheiten siehe dieser Beitrag).
Für Geldwäschebeauftragte, die gleichzeitig für die Hinweisgeberstelle zuständig sind, sind vorallem die Themen Fachkundenachweis, Unabhängigkeit und mögliche Interessenkonflikte von Bedeutung.
Hohe Anforderungen an die Qualifikation
Die Schwerpunkte der Diskussionen zum neuen Hinweisgeberschutzgesetz drehen sich insbesondere um die Frage der Gestaltung der internen Meldestelle und dem rechtlichen Schutz von Hinweisgebern. Hier stehen häufig prozessuale und technische Fragestellungen im Vordergrund, z.B. zum Meldekanal (elektronisch, telefonisch oder postalisch).
Das ist zunächst nachvollziehbar, müssen doch alle betroffenen Unternehmen entweder erstmalig eine Hinweisgeberstelle einrichten oder die bestehende Meldestelle an die neuen Anforderungen anpassen. Hierbei wird jedoch nicht selten der menschliche Faktor außer Acht gelassen.
Der Kern der Meldestelle besteht nämlich nicht aus der Technik und dem Verfahren, sondern aus den für die Bearbeitung der Meldung zuständigen Mitarbeiter! Diese Personen müssen dafür Sorge tragen, dass eingehende Meldungen zeitnah gesichtet und deren Relevanz und Stichhaltigkeit eingeschätzt werden. Gerade bei der Frage, ob der gemeldete Fall überhaupt in den Anwendungsbereich des Gesetzes fällt und der Hinweisgeber überhaupt nach dessen Regelungen Schutz genießt, kann im Einzelnen sehr knifflig sein (z.B. beim Thema Mobbing).
Die Anforderungen an die Meldestellenmitarbeiter (und damit an die Geldwäschebeauftragten) sind dementsprechend hoch. Sie müssen insbesondere
- prüfen, ob ein meldefähiger Verstoß vorliegt,
- Bearbeitungsfristen einhalten,
- das Meldeverfahren durchführen,
- die Vertraulichkeit bzw. Anonymität beim Umgang mit Meldungen wahren,
- den konstruktiven und vertrauensvollen Kontakt mit dem Hinweisgeber halten,
- ihre Arbeit unabhängig ausüben können,
- frei von Interessenkonflikten sein und
- die notwendigen Folgemaßnahmen (insbesondere interne Untersuchungen) durchführen können.
Wichtig ist dabei: Diese Anforderungen bezieht sich auf alle Mitarbeitenden der Meldestelle. Dies sind mindestens zwei Personen, ein Meldestellenmitarbeitende und (mindestens) ein Stellvertreter. Zwar ist das gesetzlich nicht ausdrücklich vorgeschrieben, ergibt sich aber aus den Compliancepflichten eines jeden „ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs“. Nur auf diese Weise kann die ununterbrochene Funktionsfähigkeit der Meldestelle sichergestellt werden, z.B. im Urlaubsfall oder bei Krankheit.
Nachweis der notwendigen Fachkunde
Das von den Mitarbeitern der Meldestellen inhaltlich einiges verlangt wird, hat auch der Gesetzgeber erkannt. § 15 Absatz 2 Hinweisgeberschutzgesetz sieht daher vor, dass die notwendige Fachkunde dieser Mitarbeiter sicherzustellen ist. Dies gilt sowohl für neue Mitarbeiter als auch für solche, die bereits zuvor die Meldestelle betreut haben.
Doch was genau beinhaltet diese „Fachkunde“? Was müssen Beschäftigte der Meldestelle genau können? Wie kann die Fachkunde nachgewiesen werden?
Bedeutung der Fachkunde
Erforderlich ist jedenfalls, dass die Mitarbeitenden der Meldestelle hinreichend über die Funktion, die Kompetenzen und die Unabhängigkeit der Meldestelle informiert sind, vor allem aber die Anforderungen des Vertraulichkeitsgebots beherrschen. Nicht erforderlich ist nach derzeitiger Erkenntnis eine detaillierte Rechtskenntnis der einzelnen Meldetatbestände. Die Meldestellenmitarbeiter müssen also nicht zwingend Juristen sein.
Zur Fachkunde gehören insbesondere hinreichende Kenntnisse zu den folgenden Punkten:
- Die Prüfung nach Meldeeingang, ob ein meldefähiger Verstoß vorliegt (zumindest erste Einschätzung)
- Das Meldeverfahren (u.a. Eingangsbestätigung, Kommunikation mit dem Hinweisgeber, Rückmeldung an den Hinweisgeber, Abschluss des Verfahrens)
- Aufbewahrungs- und Löschpflichten
- Vermeidung von Interessenkonflikten, Wahrung der Unabhängigkeit
- Die Wahrung der Vertraulichkeit bzw. Anonymität beim Umgang mit Meldungen
- Ergreifung angemessener Folgemaßnahmen (z.B. interner Untersuchungen)
Der Nachweis der Fachkunde sollte durch Teilnahme an einer qualifizierten Fortbildung erfolgen. Nur so lässt sich die Erfüllung der gesetzlichen Pflicht prüfungsfest nachweisen. Schulungs- oder sonstige Qualifikationsnachweise sollten von der Personalabteilung archiviert werden.
Vertraulichkeit schafft Vertrauen
Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter das Vertrauen haben, dass ihre Meldungen ernst genommen und dass sie vor möglichen Konsequenzen geschützt werden. Die Meldestellenmitarbeiter müssen dafür sorgen, dass die eingehenden Meldungen gründlich geprüft werden und dass die erforderlichen Maßnahmen ergriffen werden, um mögliche Verstöße zu beheben. Eine effektive Hinweisgeberstelle sollte auch sicherstellen, dass der Hinweisgeber regelmäßig über den Fortschritt seiner Meldung informiert wird
Ein wichtiger Faktor hierbei ist die laufende Betreuung der Hinweisgeber. Es sollte über die Bedeutung und die Rolle der Hinweisgeberstelle aufgeklärt werden und darüber, auf welchen Wegen Meldungen eingereicht werden können.
In jedem Fall sollte darüber informiert werden, dass Meldungen vertraulich behandelt und die Identität der meldenden Personen geschützt wird.
„Reinreden“ nicht zulässig
Weiter muss die fachliche Unabhängigkeit der internen Meldestelle und ihrer Mitarbeiter gewährleistet sein. D.h., dass die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit weisungsfrei sein müssen. Dieses Erfordernis ist Geldwäschebeauftragten bereits im Hinblick auf ihre Aufgaben bekannt.
Die Weisungsfreiheit bezieht sich auf die Entgegennahme und Bearbeitung von Informationen über Verstöße. Werden im Rahmen von internen Ermittlungen andere Mitarbeiter im Unternehmen oder externe Personen miteinbezogen, so gelten auch hier die Grundsätze der fachlichen Unabhängigkeit und Vertraulichkeit.
Andere Aufgaben – Was schlägt sich, was verträgt sich?
Mitarbeiter dürfen neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Es ist dabei sicherzustellen, dass es hier nicht zu Interessenkonflikten kommt. Auf folgende Punkte sollte dabei u.a. geachtet werden:
- Bei der Ausübung der jeweiligen Funktion ist eine strikte Rollentrennung festzulegen.
- Mitarbeiter im operativen Bereich eignen sich weniger für die Arbeit in der Meldestelle.
- Als besonders geeignet gelten Compliancemitarbeiter, wie Datenschutz-, Geldwäsche-, Korruptions- oder Integrationsbeauftragte.
- Für die Meldestellentätigkeit sind den Mitarbeitern ausreichende Ressourcen (Zeit und Mittel) zur Verfügung zu stellen.
- Die Tätigkeit sollte für eine gewisse Dauer durch eine bestimmte Person oder Organisationseinheit ausgeübt werden.
Fazit
Die Arbeit in der Hinweisgeberstelle ist eine anspruchsvolle Tätigkeit. Die Qualifikation und die Stellung der Mitarbeiter müssen dem ausreichend Rechnung tragen. Es ist dafür zu sorgen, dass die Unabhängigkeit der Meldebearbeitung gewahrt wird und Interessenkonflikte mit anderen Aufgaben verhindert werden. Meldestellenmitarbeiter und deren Stellvertreter müssen sich weiterbilden und ihre Fachkunde durch geeignete Fortbildungsnachweise sicher dokumentieren können. Dies betrifft auch solche Mitarbeiter, die schon bisher die Meldestelle betreut haben.