FIU 2023 - Gefangen im Strudel der eigenen Probleme?

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2022 war nicht das einfachste Jahr für die Financial Intelligence Unit (FIU). Meldeflut, Rücktritt, Falschangaben, IT-Probleme, Ermittlungen wegen Strafvereitelung, Reformversuche und weitere Probleme beschäftigten Deutschlands Anti-Geldwäscheeinheit.

Bisheriger Höhepunkt waren Täuschungsvorwürfe von Bundestagsabgeordneten. So soll die Geldwäschebehörde sowohl gegenüber den Prüfern der FATF als auch gegenüber den Parlamentariern die Existenz von zehntausenden unbearbeiteten Risikofällen verschwiegen haben. Als die Vorwürfe bekannt wurden, nahm FIU-Chef Schulte seinen Hut und trat zurück.

FIU-Affäre setzt Bundesregierung unter Druck

Die Vorgänge bei der Behörde beschäftigen auch die Opposition im Bundestag. Auf einen Fragenkatalog, den die Fraktion „DIE LINKE“ gestellt hatte (Thema „100.000 unbearbeitete Geldwäsche-Verdachtsmeldungen bei der Financial Intelligence Unit und FATF-Deutschlandprüfung“), hat die Bundesregierung nun geantwortet.

Hierbei ging es um den Stand der Bearbeitung noch offener Verdachtsmeldungen mit „Risikorelevanz“. Nach dem Inhalt der Antworten kommt die FIU jedoch nur sehr langsam mit der Abarbeitung voran.

Von den insgesamt 100.963 unbearbeiteten Verdachtsmeldungen (Stichtag 01. Dezember 2022) habe die Behörde 39.781 Fälle für eine „weitergehende Analyse“ vorgesehen (was mit den übrigen ca. 60.000 Risikofällen geschehen soll, ist nicht bekannt.). Hiervon wurden bis zum 01. Januar 2023 2.583 Meldungen abschließend bearbeitet.

Unrealistische Arbeitsprognosen

Die FIU erklärte, alle Bearbeitungsrückstände „bis zum Frühjahr 2023“ durch eine spezielle „Taskforce“ abarbeiten zu wollen. Ein Blick auf die genannten Zahlen genügt jedoch, um an dieser Ankündigung ernsthaft zu zweifeln.

Bleibt es bei diesem Tempo bräuchte die Taskforce mehr als 14 Monate, um den Rückstand abzuarbeiten. Somit wäre das Frühjahr 2024 eine realistischere Annahme.

Nur die Spitze des Eisbergs

Die 100.000 Fälle sind jedoch nicht die einzigen unbearbeiteten Verdachtsmeldungen. Weitaus mehr Vorgänge liegen im sog. „FIU-Informationspool“.

Allein für den Zeitraum von Januar 2020 bis zum 30. September 2022 seien 424.694 Meldungen nicht als risikorelevant ausgesteuert und daher in dieser FIU-Datenbank „geparkt“ worden. Diese werden fortlaufend mit neu bei der FIU eingehenden Informationen abgeglichen. Dies kann dann dazu führen, dass auch ursprünglich als nicht relevant identifizierte Sachverhalte später zu werthaltigen Sachverhalten „erstarken“.

Zählt man die 100.000 offenen Risikofälle dazu, so existieren etwa 500.000 Fälle, die von der FIU noch nicht abschließend bearbeitet wurden.

Unklare Kategorisierung

Auffällig ist, dass die Angaben über unbearbeitete Meldungen schwanken. Dies liegt insbesondere daran, dass die Fälle nicht immer nachvollziehbar kategorisiert werden. So ist z. B. nicht bekannt, wie die FIU die Einstufung in „risikorelevant“ und „nicht risikorelevant“ genau vornimmt. Eine Überprüfung der Arbeit der Behörde von außen lässt sich daher kaum durchführen.

Aber auch eine Aufsicht über die FIU selbst findet nur teilweise statt. Glaubt man den Äußerungen der Bundesregierung auf die Linken-Anfrage, so existiert lediglich eine Rechts- aber keine Fachaufsicht.

Erledigung durch Zeitablauf?

Das langsame Tempo bei der Bearbeitung der Fälle ist auch deswegen verheerend, weil unentwegt neue Meldungen eingehen. Seit Jahren sieht sich die FIU mit einer massiv steigenden Zahl an neuen Verdachtsmeldungen konfrontiert. Allein im Jahr 2021 gingen fast 300.000 neue Fälle ein.

Solange die Mitarbeiter aber überwiegend mit dem Altbestand beschäftigt sind, würde man annehmen, dass der Berg an Meldungen auch nicht kleiner wird. Dies ist aber nur teilweise richtig.

Datenschutzrechtliche Anforderungen sorgen dafür, dass die Informationen nicht ewig aufbewahrt werden. So sind Verdachtsmeldungen, die ab dem Zeitpunkt ihres Eingangs binnen drei Jahren nicht an zuständige Behörden abgegeben wurden, zu löschen. Verdachtsmeldungen, die „die Abgabevoraussetzungen ausgelöst haben“, sind demgegenüber nach 5 Jahren zu löschen. Bezogen auf diese Vorgaben bestätigt die Bundesregierung, dass die FIU bis zum Stichtag 18. Dezember 2022 insgesamt rund 207.360 Verdachtsmeldungen gelöscht hat.

Es ist daher davon auszugehen, dass die fehlende Bearbeitung dazu führt, dass auch relevante Informationen zu strafbaren Handlungen verloren gehen!

Datenschutz als Sündenbock

Dem Datenschutz kann dies aber nicht angelastet werden. Die Pflicht zur Speicherbegrenzung soll datenverarbeitende Stellen anhalten, Informationen nicht ziellos zu horten. Den Löschfristen kommt daher eine disziplinierende Funktion zu. Man soll sich zeitnah mit den gesammelten Informationen beschäftigen. Was nicht gebraucht wird, muss weg.

Diese Vorgehensweise steht im Einklang mit den Zielen der Geldwäschebekämpfung. Hier kommt es maßgeblich aufs Tempo an. Nur wenn relevante Informationen rechtzeitig erkannt und unverzüglich an die zuständigen Stellen weitergeleitet werden, kann Strafverfolgung erfolgreich sein.

2023: Gelingt der FIU die Wende?

„Es gibt viel zu tun, packen wir es an!“ Diesen Satz erhoffen sich viele von der zukünftigen Chefspitze der FIU. Noch ist kein Nachfolger / keine Nachfolgerin für Ex-Chef Schulte bekannt gegeben worden.

Wer auch immer die Behörde in Zukunft leiten wird, darf aber keine Zeit verlieren. Die Bearbeitung von Meldungen muss endlich in die richtigen Bahnen gelenkt werden. M. E. wird dies ohne die Kooperation mit den Verpflichteten nicht gelingen, siehe hierzu mein Fazit in diesem Beitrag.

Die Zahlenspiele bei den Verdachtsmeldungen müssen aufhören und die Arbeitsweise der FIU muss transparenter gemacht werden. Nur so wird die FIU das verloren gegangene Vertrauen in ihre Arbeit zurückgewinnen können.

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